Klaus Mosettig Österreich , b. 1975
Klaus Mosettig arbeitet langsam. Seinen Zeichnungen liegt eine vorhandene Idee zugrunde, welche er sich aneignet, und welche er dann in weiterer Folge in durchaus kontemplativer Arbeit, einzig durch die Schraffierung von Bleistiften unterschiedlicher Härtegrade, aufs Papier überträgt.
Mit dieser Technik führt der Künstler mehrere Aspekte gleichsam ad absurdum.
Die Zeichnung, welche grundsätzlich zum Festhalten von Gedanken benutzt wird, ein Skizzieren von Überlegungen und Gegenständen, meist als Basis für das ihr nachfolgende, eigentliche Kunstwerk.
Die Schnelligkeit, mit welcher der Zeichenstift über den Malgrund Papier bewegt wird.
Die Spontanität, welche diesem Medium immer wieder zugeschrieben wird, die sogenannte „écriture automatique“, die wir alle kennen, wenn wir während eines Telefonats den Notizblock mit surreal, abstrakten Gebilden befüllen.
Und nicht zuletzt die Farbe, welche auf Graunuancen und Hell-Dunkel beschränkt wird.
Wieso nun transformiert der in Graz geborene Künstler seine Kunstwerke – sind es überhaupt seine? – mittels genau dieser Technik zum fertigen Werk? Ist es die „Kompensation der Hektik“, wie es Wolfgang Ullrich 2010 in einem Text zu Mosettig bemerkt, oder ist es der Versuch den Rezipienten und sein Sehverhalten zu schulen? Ob Jackson Pollock oder auch die Kinderzeichnungen seiner Tochter – beides Vorlagen, die durch Spontanität entstanden sind. Klaus Mosettig überträgt nun genau diese fremden Ideen in minutiöser Arbeit, langsam schraffiert, Millimeter um Millimeter in stunden-, tage-, wochen- gar monatelanger Arbeit. Es ist nicht sein Entwurf, der hier übertragen wird – kunsthistorisch spricht man in diesem Zusammenhang von „Appropriation Art“ – es ist die Aneignung von Vorhandenem und doch wird es durch die Technik verändert. Jackson Pollock, der die Geschwindigkeit, mit der seine Drip Paintings tänzerisch entstanden sind als einzig wahren und zugänglichen Akt gepriesen hat, um den Zufall und das Unterbewusste zu huldigen, wäre irritiert zu sehen, dass ein Drip Painting auch langsam entstehen – übertragen – werden kann. Oder wie ist es mit Josef Albers „Hommage to the square“? Die Überlagerung mehrerer quadratischer Formen auf dem Bildträger gilt als Grundlage für Albers Idee der Farbstudie, die ihn zu einem immer wiederkehrenden Aufgreifen dieses Bildsujets getrieben hat. Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau… und Mosettig? Er übersetzt diese Farben in Tonwerte - in Grauabstufungen - und doch erhält der Betrachter einen erstaunlichen Blick auf das Ursprüngliche: überall dort, wo die Farben bei Albers klar definiert sind, erkennt man auch bei Mosettig die klare Grenze, die präzise Kante, während bei Komplementärfarben, die Grauwerte seiner Bleistiftspuren verschwimmen und gleichsam flirren - ist hier etwa auch eine Anspielung auf das Color Field Painting gegeben?
Und wie reagiert unsere Natur? Kann diese in ihrer Entwicklung ebenso herangezogen werden? Das Wachsen eines Baumes geschieht langsam – er gedeiht und entwickelt sich in seiner ganz eigenen Zeitspanne. Die Rinden der Bäume werden Zeugen dieses Wachstums, Rinden, die immer wieder durch Kritzeleien Einzelner verletzt werden. Einritzungen, die unbeholfen mittels unhandlicher, scharfer Werkzeuge entstehen. Es sind diese Spuren, die Mosettig in seiner Werkserie „Planes“ überträgt und somit für die Nachwelt konserviert, den Plantanen verlieren ihr Rinden und werfen so die Spuren und Verletzungen ab. Aber Mosettig hat nicht irgendwelche Kritzeleien übertragen, nein, es handelt sich hierbei um Zeichen Geflüchteter, welche in Griechenland darauf warteten registriert zu werden.
Und dann plötzlich passiert das, was Mosettig in seiner Kunst huldigt. Die Welt scheint stehen zu bleiben, sie entschleunigt sich selbst. Eine weltweite Pandemie hält die Zeit an. Klaus Mosettig hat während dieser auferlegten Isolation eine eigene Serie gezeichnet: „Typeface Corona“ – Corona? Ja, nach dem Namen eines Schrifttypus - ein Zufall? Wohl kaum!
Entstanden sind hundert Zeichnungen, alle im selben Format, jeweils mit einem Zitat im rechten unteren Bildrand – mittels kleiner, schraffierter Bleistiftstriche in der Typografie Corona dargestellt.
Die Zitate entstammen den sozialen Medien oder es sind Aussagen von Freunden und Bekannten – Zeitzeugen einer „ver“rückten Welt. Und die Darstellungen? Natürlich sind auch diese übertragen von Kritzeleien, welche auf einem Glasgrund, einem Diarahmen, von Mosettig selbst erstellt wurden. Ganz unterschiedlich in der Darstellung, stellen all die hundert Zeichnungen eine in sich harmonische Serie dar.
Zum ersten Mal überhaupt zeigt die bechter kastowsky galerie EINE Ausstellung in ZWEI unterschiedlichen Locations. Länderübergreifend diagnostiziert uns der Künstler eine doppelte Natur, eine Divergenz und doch bildet die Klammer über Liechtenstein und Wien eine geschlossene Einheit, einen Brückenschlag mittels genau jener neuesten Serie „Typeface Corona“. In Wien besteht die Präsentation aus einer Auswahl an Bildern dieses Werkblocks - die Galerie wird gedanklich in einen Raster von hundert gleich grossen Feldern unterteilt, in welchen dann 25 Werke ausgestellt werden.
In Schaan, Liechtenstein, werden diese aktuellen Arbeiten gemeinsam mit Zeichnungen aus vorherigen Serien, welche die Frage der Aneignung, der Transformation und der Langsamkeit stellen, gezeigt.
Provenance
bechter kastowsky galerie, SchaanAtelier des Künstlers