Klaus Mosettig ist der erste Künstler, der in beiden Galerieräumen der bechter kastowsky galerie in Wien und Liechtenstein parallel mit Werken zu sehen ist. Die aktuelle Serie Typeface Corona umfasst 100 Zeichnungen auf Papier, die von April 2020 bis Dezember 2022 entstanden sind. Sie ist Kern des länderübergreifenden Ausstellungsprojekts, in Liechtenstein erweitert durch Werke anderer Serien.
Mosettig kommt ursprünglich von der Bildhauerei, die Dimension der Zeit für Werk und Arbeitsprozess ist schon früh wesentlich für ihn, seit 2009 vorzugsweise im Medium der Zeichnung, die von ihm konzeptionell und aneignend benutzt wird. In seinen seriellen Arbeiten werden die ursprünglichen Werke, von bedeutenden Künstler*innen der Nachkriegsmoderne wie Jackson Pollock und Josef Albers, von seiner Tochter Lilith oder auch von Flüchtenden zeichnerisch neu aufgebaut.
Zeit ist dabei für den Künstler immer ein wesentlicher Faktor, sie verrinnt während der Arbeit des Setzens der Striche unaufhörlich und dehnt sich dabei aus bis die Arbeit des Künstlers sich dem Ende nähert. So verkehrt Mosettig mit seiner Arbeitsweise auch die Vorstellung vom intensiven Schöpfungsakt und der schnellen Kopie ins Gegenteil (Verena Gamper).
Die neue Serie Typeface Corona ist wieder streng konzeptionell angelegt. Alle 100 während der Pandemie entstandenen Zeichnungen besitzen das gleiche Format und sind gleich aufgebaut - eine Zeichnung und darunter eine Textzeile, beides schraffiert. Die Zeichnungen entstanden nach einfachen Kritzeleien von Mosettig auf Glasscheiben. Sie wurden auf das neue Format mittels Projektors transformiert und mittels Zeichenstiftes angeeignet. Also ein zutiefst persönlicher Vorgang, die erste Aneignung übrigens von eigenen Arbeiten. Das macht insbesondere Sinn, wenn man bedenkt, in welcher Zeit sie entstanden sind, einer Zeit, in der wir alle ganz auf uns zurückgeworfen schienen.
Die meisten Textzeilen, gesetzt in der Schrifttype Corona, hat Mosettig in dieser Zeit von Künstler*innen und Freund*innen gesammelt, einige auch in der vermittelten Welt gefunden, z.B. in Printmedien und sozialen Medien. Die Kritzeleien wie auch die Texte werden durch Mosettigs Aneignungsprozess in seine Zeitdimension überführt.
Neben dem gleichen Aufbau jedes der 100 Blätter hat Mosettig auch die Präsentation im Ausstellungsraum stringent entwickelt. Denn die gesamten Hängeflächen der bechter kastowsky galerie in Wien lassen sich in ein Raster von 1 bis 100 aufteilen. In dieses Raster werden die ausgestellten Arbeiten gemäß ihrer Seriennummer ohne Rücksicht auf die Betrachter*innen eingefügt.
In der Galerie in Liechtenstein setzen Blätter aus der Serie Typeface Corona den inhaltlichen Link zur Ausstellung in Wien, ergänzt um Zeichnungen aus vorangegangenen Serien, damit Klaus Mosettigs Arbeitsweise in einen werkzeitlichen Kontext gesetzt werden kann.
Withdrawal ist eine Serie von Zeichnungen der ikonischen Serie Homage to the Square, die Josef Albers ab den 1960er Jahren bis zu seinem Tod 1976 schuf. Albers hat in über 2000 Variationen jeweils drei bis vier Farbquadrate ineinander geschachtelt, die Bezeichnungen der benutzten Farben, die direkt aufgespachtelt wurden, kennzeichnete er auf der Rückseite der Bilder. In seiner Auseinandersetzung mit den subjektiven Wahrnehmungsmöglichkeiten eines strengen, objektiv scheinenden Bild- und Farbkonzeptes formulierte Albers den auch für die Werke von Klaus Mosettig gedanklich anregenden Satz: Nur der Schein trügt.
In Mosettigs Zeichnungen werden die Farben von Albers in entsprechende Grauwerte übersetzt. Anders als in der Auseinandersetzung mit Jackson Pollocks Werken oder die der Kleinkindzeichnungen seiner Tochter im Alter von 10 bis 14 Monaten (Serie Informel), auch der Bildelemente in der neuen Serie aus der Corona Zeit, ist hierbei nicht die völlige Umkehrung des kreativen Prozesses, die Übersetzung von Spontaneität in Analyse von Form im Vordergrund. Die manchmal fast verstörende Kraft der Farben in ihrem von Albers gesetzten Bilddialog wird ersetzt von den per se schon abstrahiert wirkenden Grauwerten, die konzeptionelle Strenge der Serie von Josef Albers wird dadurch noch einmal verstärkt.
Die Aneignungen von Gravuren von Flüchtenden in Platanen auf der griechischen Insel Leros aus der Serie Planes von 2018 – 2020 reflektieren einen weiteren Ansatz Mosettigs. Diese vor Ort gefundenen Einritzungen sind archaisch gesetzte Akte, die Menschen schon seit jeher setzen. Das Einritzen des eigenen Namens dient als Vergewisserung des im Hier Seins und der Hoffnung auf Ewigkeit – oft finden wir solche Namen und Zeichen ja noch nach Jahrhunderten. Da sich aber die Rinde von Platanen immer wieder abschält wird diese Hoffnung der Flüchtenden vergeblich sein, so flüchtig wie unsere Aufmerksamkeit auf ihr Schicksal.
Künstlerische Aneignung als Prozess die Welt und ihre Bilder zu begreifen, sie der Schnelllebigkeit zu entreißen durch genaue Betrachtung, Kontextualisierung und Transformation, die eine neue Betrachtung ermöglichen, das vermag die Arbeit von Klaus Mosettig.
Andreas Hoffer, Kurator Kunsthalle Krems