Karen Holländer

Karen Holländers Kunst ist humorvoll, tiefsinnig, voller Alltagsszenarien, teils auch zynisch und stets beeindruckend. Langsam entstehen ihre Werke – unverkennbar in der feinen illusionistischen Ausführung.

Die Künstlerin will mit ihren Werken Geschichten erzählen und baut so ihre Bilder gleichsam dramaturgisch auf. Zuerst ist die Idee! Diese wird minutiös in einer Skizze vorbereitet. Hierzu verwendet sie Fotografien, die entstehen, wenn sie mit offenem Blick durchs Leben geht: Da sind es die Wartenden im Bushäuschen, dort die Badenden in Warnemünde oder auch die unterschiedliche Physiognomie von Hunden oder gar Häusern. Karen Holländer nimmt diesen Fotografien ihre Umgebung, schneidet sie aus und setzt sie schonungslos gedrängt auf ein Blatt Papier – eingezwängt und beengt wirken die Figuren, Häuser oder gar Hunde - ein Horror vacui entsteht. Diese bis ins kleinste Detail komponierte Vorlage wird dann auf die Leinwand übertragen und erfährt in der Vergrösserung und der feinen Pinselführung eine noch gewaltigere Verfremdung. Wenn keine fotografischen Vorlagen vorhanden sind, behilft sich die Künstlerin auch selber, in dem sie ihre Szenen bastelt. Ganze Roboter Armeen aus Klopapierrollen und Karton bevölkern momentan ihr Atelier. Grundlagen für weitere Bilder und Geschichten.

 

Eine junge Frau balanciert gewagt auf einem Seil. Ihr rotes Sommerkleid nimmt die Bewegung auf, welche sich in der immer wiederkehrenden Abfolge der Person darstellt. Sieben Mal setzt sie ihren Fuss auf das dünne Seil und versucht die Balance zu halten, um nicht zu scheitern. Es handelt sich nicht um eine Malerei auf Leinwand, sondern um eine fast lebensgrosse Laubsägearbeit, bemalt, plastisch herausgearbeitet und irritierend. Die Aussagen der Arbeit sind tiefgründig: Wohin tritt diese junge Frau während ihres Balanceaktes? Eine Frage, die sich Karen Holländer bewusst stellt: wie entscheidet sich die heutige Jugend, in welchen schwindeligen Höhen bewegt sie sich, droht sie abzustürzen, soll sie diesen Weg überhaupt gehen, oder anders gefragt, gibt es überhaupt noch die Möglichkeit umzudrehen? Und wenn Anna – so heisst die Dargestellte – dann ihren unsicheren Weg verlassen hat, steht sie staunend im Grünen ... und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

 

Aber auch ihre eigene Person wird als Vorlage verwendet. Wer kennt sie nicht, diese Akrobaten, die zwischen zwei Holzstäben mit einem Faden befestigt sind und die beim Gebrauch derselben ihre Glieder unförmig in die Luft schwingen und sich überschlagen. Diese Puppe trägt hier das Antlitz der Künstlerin. Sie lässt sich sozusagen fremd bestimmen und wird ohne eigene Kontrolle in die Höhe „geschossen“. Oder sie lässt sich in einem viel zu kleinen Kasten mit Hilfe von Marionettenfäden in die richtige Position bringen. Eine Position, die auf Grund der Enge nie wirklich bequem sein wird ...

 

Und die Horror-vacui-Bilder? Diese führen dem Betrachter die stereotypen Bewegungen und die Gleichförmigkeit von Menschenmassen vor Augen und doch auch bei genauem Hinsehen die Unterschiede der einzelnen Individuen. Es sind Alltagsgeschichten, die Karen Holländer uns da präsentiert. Ein Alltag, voller Tiefsinn und Ironie.