Anneliese Schrenks favorisiertes Werkmaterial ist Leder. Sie zieht Lederhäute anstelle des bildüblichen Textils der Leinwand auf den Keilrahmen auf. Ein organisches Material, das durch das Gerben haltbar gemacht wird und seine eigene Struktur in ästhetischer Art und Weise vor Augen führt.
Die Verwendung von artfremden Materialien ist seit Marcel Duchamp in der Kunstproduktion Gang und Gäbe. Der Künstler verlässt die Aufgabe des Schöpfers und wird zum Suchenden nach Dingen in der Welt des Alltags, die er für sich selbst vereinnahmt. Leder ist etwa so ein alltäglicher Gegenstand – ob als Haut der Wohnzimmercouch oder des Autositzes.
Die Grösse des Kunstwerks wird von der Haut und ihrer Struktur bestimmt. Eine gewisse Zufälligkeit schwingt hier unweigerlich mit, denn Struktur und Beschaffenheit kann nur aus dem vorhandenen Lederteil gewonnen werden. Und doch: Auf den ersten Blick wirken Schrenks Bilder wie Malerei. Abstrakte, ins Monochrome tendierende Gemälde mit teils feinen und dann wieder kräftigen Farbnuancen.
Die Künstlerin bearbeitet die Bildfläche mit Linien, Furchen, Kratzer und auch Löchern anstelle klassisch malerischer oder zeichnerischer Behandlungen.Trotz der aggressiven, verletzenden Markierungen ist eine gewisse Ruhe in Schrenks Bildern spürbar. Es kommt zu einem spannenden Gegensatz zwischen körperlicher Verletzlichkeit, schwarzem Leder, Leichtigkeit, und meditativ immaterieller Schönheit. Oft lesen wir im Kontext von Anneliese Schrenks Werk den Begriff der Brutalität. Auf der Haut sind die Spuren der Zeit eingeschrieben, oft auch Spuren der Verletzung. Schrenk bearbeitet ihr Material teilweise indem sie Feuer, Schuhpaste oder auch Säure einsetzt. Sie untersucht dadurch das Leder und sein Verhalten und akzentuiert – beziehungsweise „malt“ – auf dem Bildträger. In ähnlicher Weise hat sich auch Lucio Fontana künstlerisch auseinandergesetzt, indem er der Haut seiner Bilder Schnitte zugeführt hatte, oder Alberto Burri, der die Epidermis mit Brandlöchern verwundet hatte. Auch in den Papierarbeiten agiert Schrenk taktil materiell. In der Frottagetechnik, welche von Max Ernst vor allem betrieben wurde, paust sie verschiedenste Materialien und Strukturen ab, wie zum Beispiel Kieselsteine oder Pflasterböden. Der Grafitstift übernimmt die Unebenheiten der sich darunter befindenden Materialien und bildet sie so auf dem Blatt ab.
Obwohl Anneliese Schrenk nur die gereinigte „abstrakte“ Haut ohne die darunter liegende animalische Fleischschicht für ihre Bilderproduktion verwendet, ist der Geruch des Tierischen trotzdem spürbar. In den neueren Arbeiten gibt sie dem Leder wieder einen Körper. Die Künstlerin wäscht das Leder, trocknet es und bringt es durch den Trocknungsprozess in eine verhärtete Form. Ob am Boden liegend oder an der Wand hängend, sind die Lederteile ausladend, werden wieder organisch-körperlich oder erinnern an zerknüllte Stoffe. Wie barocke Gewandfalten schwingen sie in den Raum.